CSP Press Reports

Hochauflösende Spektroskopie mit Kryodetektoren

Laborpraxis Nr. 2, Februar 2000

Kryodetektoren bieten eine Vielzahl neuer analytischer Lösungen für wissenschaftliche und industrielle Labors. Ein wesentliches Merkmal ist eine um den Faktor 30 verbesserte Energieauflösung. Damit erschließen sich ganz neue und schnelle Möglichkeiten bei der Analyse der elementaren Zusammensetzung von neuen Materialien und Oberflächen, besonders bei immer kleiner werdenden Strukturgrößen. Speziell bieten Kryodetektoren exzellente Möglichkeiten bei der bei der Materialanalyse für leichte Elemente.

Warum sind Kryodetektoren interessant?

In den letzten Jahren haben sich die spektroskopischen Methoden und auch die eingesetzten Detektoren nicht grundsätzlich verändert. Meist werden Halbleiterdetektoren zur IR-, VIS-, UV- und Röntgenspektroskopie eingesetzt, die auf dem Prinzip beruhen, daß durch einfallende Strahlung Elektronlochpaare erzeugt werden und der über eine Vorspannung abgeführte Strom verstärkt und gemessen wird. Der Anwender erhält als Ergebnis ein energieaufgelöstes Spektrum. Dieses entsteht entweder als Folge einer echt energiedispersiven Messung wie im Fall der energiedispersiven Röntgenspektroskopie, wo die Menge der erzeugten Elektronlochpaare proportional zur Energie des erzeugenden Röntgenquants ist, oder im Fall der wellenlängendispersiven Messung, wo durch das sequentielle Verfahren eines Monochromatorkristalls ein Spektrum entsteht. Grundsätzlich stoßen Halbleiterdetektoren an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, da die zur Erzeugung eines Elektronlochpaares notwendige Anregungsenergie im Bereich von einigen eV liegt. Die in Kryodetektoren verwendeten supraleitenden Materialien dagegen besitzen wesentlich geringere Anregungsenergien im meV Bereich. Das hat zur Folge, daß bei der Absorption eines Energiequants etwa 1000 Mal mehr Zustände angeregt werden, was theoretisch zu einer 30-fach verbesserten Energieauflösung führt.

Von der wirtschaftlichen Seite her gesehen, hat sich aufgrund der ausgereiften Technik der Halbleiterdetektoren und der seit vielen Jahren bekannten Meßprinzipien sowie dem dadurch bedingten Mangel an technischen Neuerungen der Wettbewerb unter den Anbietern von Spektroskopiesystemen verschärft. Dabei stehen neben messtechnischen Themen mehr intelligente Softwarelösungen, Serviceleistungen und Preisvorteile im Mittelpunkt. Die Zeit ist reif, eine neue Technologie basierend auf supraleitenden Kryodetektoren vorzustellen.

Die Frage ist natürlich, was sind Kryodetektoren? Kryodetektoren bestehen im wesentlichen aus supraleitenden Materialien. Dabei handelt es sich nicht um Hochtemperatursupraleiter, die bei 77K oder 4K, den Temperaturen von flüssigem Stickstoff oder Helium, betrieben werden können, sondern vielmehr um Tieftemperatursupraleiter, die eine Temperatur von weniger als 1 Kelvin erfordern. Um das Rauschen der Detektoren so gering wie möglich zu halten, werden die meisten Kryodetektoren sogar bei Temperaturen zwischen 50 und 200 mK betrieben. Diese Kühlkapazität über Stunden, Wochen oder gar Jahre zu erbringen, stellt eine große Herausforderung dar. Eine weitere Herausforderung ist die Automatisierung, sowie die Mobilität und Reinraumkompatibilität solcher Kühlsysteme. Alle diese Bedingung erfordern ein Kühlsystem, das auf die Verwendung von flüssigem Stickstoff und Helium verzichtet.

Supraleitende Detektoren unterscheiden sich von herkömmlichen Detektoren durch eine wesentlich bessere Energieauflösung

Die theoretisch erreichbare Energieauflösung eines Detektors ist u.a. bestimmt durch die effektive Anregungsenergie und die daraus Color resultierende Gesamtanzahl an Anregungen, die für eine bestimmte Color Energie erzeugt werden kann werden kann. Tabelle 1 zeigt den Vergleich der Anregungsenergien für einen Proportionalzähler, einen Halbleiterdetektor und einen Kryodetektor.

Detektortyp
Effektive Anregungsenergie
Anzahl der Anregungen bei 6keV
Energieauflösung bei 6keV
Proportionalzähler
30eV
200
~420eV
Halbleiter
3eV
2000
~120eV
Kryodetektor
10-5 - 10-3eV
>106
<6eV

Tabelle 1
Anregungsenergien, Anzahl der Anregungen bei einer 6keV Anregungstrahlung und theoretische Energieauflösung für drei Detektortypen.

Auf Grund der niedrigeren effektiven Anregungsenergie ist die Anzahl der erzeugen Anregungen in einem Kryodetektor um den Faktor 1000 größer als bei einem Halbleiterdetektor. Die Energieauflösung E, also die Schlankheit eines Peaks ist über die Beziehung

ΔE/E ~ 1/√N

mit der Energie der Spektrallinie E und der Anzahl der Anregungen N verknüpft. Man erkennt, daß man für eine Linie bei 6keV, also einer Linie im Röntgenbereich, mit einem Halbleiter eine theoretische Auflösung von 120eV erreicht (praktisch werden etwa 129eV erreicht), mit einem Kryodetektor dagegen sind es weniger als 6eV. Dies ist eine wesentliche Verbesserung, da gerade in der Röntgenspektroskopie die erzielbaren, analytischen Ergebnisse oft durch überlappende Peaks eingeschränkt werden.

Aufgrund der geringen Anregungsenergie ist es daher möglich, einzelne Photonen aus dem roten Bereich des sichtbaren Lichtes noch energieaufgelöst nachzuweisen. Man macht sich dies zum Beispiel in der Astronomie bei der Bestimmung von sehr schwachen Strahlungsquellen zu Nutze. Im Vergleich dazu können mit Halbleiterdetektoren einzelne Strahlungsquanten in der Regel nur im Röntgenbereich nachgewiesen werden.

Zwei Messprinzipien von Kryodetektoren: Mikrokalorimeter und Tunneldiode

Das Funktionsprinzip eines Mikrokalorimeters ist in Abbildung 1 dargestellt. Ein Energiequant, beispielsweise ein Röntgenquant, trifft auf eine Absorberoberfläche. Im Absorber wird die Strahlungsenergie in Wärme umgewandelt. Die dabei auftretende Temperaturänderung T wird von einem darunter liegenden Sensor gemessen. Der Sensor ist ein sogenanntes Phasenübergangsthermometer: Ein Supraleiter und befindet sich im Übergangsbereich zwischen Supraleitung und normaler, metallischer Leitung. Wie in Abbildung 2 gezeigt reagiert sein elektrischer Widerstand R daher sehr empfindlich auf Temperaturänderungen. Die durch ein Röntgenquant als Folge der Temperaturerhöhung T erzeugte Widerstandsänderung R ist direkt proportional zur Energie des einfallenden Röntgenquants/1/.

Abbildung 1

Abbildung 1: Schematische Darstellung eines auf dem Mikrokalorimeter Prinzip beruhenden Kryodetektors.

Abbildung 2

Abbildung 2:
Verhalten des Widerstands eines supraleitenden Sensors in Abhängigkeit von der Temperatur im Übergang vom supraleitenden in den normalleitenden Zustand.

Wenngleich das Prinzip einfach ist, erfordert die Herstellung der Detektoren eine große Menge an Erfahrung. Um einen möglichst großen Temperatureffekt zu erzielen, muß die Wärmekapazität des Absorbers klein sein. Das heißt, daß die Arbeitstemperatur möglichst niedrig sein sollte. Dies bedeutet in der Praxis Temperaturen zwischen 50 bis 100 mK. Dabei spielen die Fragen nach dem Material des Absorbers und die damit verbundene Eigenschaften wie Metall oder Supraleiter, Absorptionsverhalten etc. eine entscheidende Rolle. Ähnlich vielfältig sind die Möglichkeiten bei der Konstruktion des Sensors: Der Übergang vom normalleitenden in den supraleitenden Zustand soll in einem bestimmten Temperaturbereich stattfinden. Dafür verwendet man binäre, übereinanderliegende Metallfilme, die für bestimmte Bedingungen ?maßgeschneidert? werden können. Dabei wird die kritische Temperatur einer Komponente durch von der zweiten Komponente induzierte Gitterstrukturstörungen zu tieferen Temperaturen verschoben. Einen besonders großen Einfluß habe dabei die Schichtdicken der Filme. Die Messung der Widerstands- bzw. einer daraus resultierenden Stromänderung erfolgt mit sogenannten SQUIDs (Superconducting QUantum Interference Devices).

Typischerweise werden von Mikrokalorimeter Kryodetektoren heute Auflösungen von 4 /2/ bis 15eV /3/ erreicht. Im Vergleich zu Halbleiterdetektoren ist die Fläche von Kryodetektoren mit z. Zt. maximal 0.16mm2 relativ klein. Die Zählrate ist mit 1000cps (counts per second) etwas niedriger als man es von herkömmlichen hochauflösenden Halbleiterdetektoren mit etwa 3000 cps gewohnt ist. Deshalb sind die Analysenzeiten, trotz des verbesserten Signal-Rauschverhältnisses, etwas länger. Ein Umstand, der in der Zukunft durch die Entwicklung multipler Detektorsysteme kompensiert werden kann.

Supraleitende Tunneldioden bestehen in der Regel aus zwei metallischen Elektroden, die durch eine nicht supraleitende Aluminiumoxidschicht verbunden sind /1/. Wie Abbildung 3 zeigt, trifft ein Strahlungsquant, hier wieder einem Röntgenquant, auf die Diode.

Abbildung 3

Abbildung 3: Schematische Darstellung einer supraleitenden Tunneldiode

Wie in Abbildung 4 gezeigt, spaltet die Energie eines Röntgenquant Cooper Paare, also die Ladungsträger in Supraleitern, und führt zur Bildung von sogenannten Quasiteilchen. Das sind im Prinzip Elektronlochpaare, die unter Abgabe von Phononen, also Gitterschwingungen, relaxieren und zur anderen Elektrode tunneln. Zum Großteil führt die in Phononen "gespeicherte", überschüssige Energie zur Trennung weiterer Cooper Paare, so daß nahezu die gesamte Energie zur Bildung von tunnelnden Quasiteilchen verwendet. Die Gesamtheit der tunnelnden Quasiteilchen führt zu einem Tunnelstrom, der direkt proportional zur Energie des einfallenden Röntgenquants ist. Dieser Strom wird ähnlich wie beim Halbleiterdetektor mit einem ladungssensitiven Vorverstärker gemessen.

Auch bei Tunneldioden ist die Auswahl der verwendeten Materialien sowie die Schichtdicke kritisch. Wenn, beispielsweise, die obere Elektrode dünn ist, durchdringt ein Teil der Strahlung die obere Elektrode und wird in der unteren absorbiert. Aufgrund der Tatsache, daß obere und untere Elektroden normalerweise in ihren Geometrien unterschiedlich sind, kommt es zu verschieden starken Tunnelströmen und letztlich, zur Ausbildung von Doppelpeaks, die durch geeignete Maßnahmen einander zugeordnet werden können. Die heute verwendeten, supraleitenden Tunneldioden sind mit einer, in ihrer Nähe liegenden Spule ausgestattet. Ein dadurch erzeugtes magnetisches Feld ist notwendig, um den sogenannten Josephson Strom zu unterdrücken. Dies ist ein spontaner Tunnelstrom zwischen den Elektroden, der die Messung verfälscht. Diese Spule ist besonders hinderlich, wenn der Detektor in einer engen Geometrie, z.B. in einem Rasterelektronenmikroskop (REM) betrieben werden soll. Die Vorteile der Tunneldiode liegt bei einer relativ hohen Zählrate und einer ausgeprägten Temperaturunempfindlichkeit.

Abbildung 4

Abbildung 4: Schematische Darstellung des Tunnelprozesses bei supraleitenden Tunneldioden.

Abbildung 5 zeigt ein mit einer supraleitenden Tunneldiode aufgenommenes Spektrum eines 55Fe Strahlers. Im Vergleich dazu ist die flache und wesentlich breitere Kurve dargestellt, die man mit einem Halbleiterdetektor bei einer zweifach höheren Strahlenmenge erhält. Da der Halbleiterdetektor mit einer höheren Zählrate mißt, entspricht dies in etwa gleichen Meßzeiten. Neben der besseren Energieauflösung erkennt man deutlich, daß beim Kryodetektor intensitätsschwache Peaks schneller aus dem Rauschen herauswachsen.
Abbildung 5

Abbildung 5:
Mn Kα und Kβ Röntgenlinien einer 55Fe Quelle. Die hohen Peaks wurden mit einer supraleitende Tunneldiode aufgenommen und haben eine Halbwertsbreite von 14.5eV. Die flacheren Peaks stellen das Ergebnis mit einem Halbleiter-Si(Li)-Detektor dar. Hierbei beträgt die Halbwertsbreite 131 eV. Die Intensität ist auf Grund der größeren Detektorfläche zwei Mal höher.

Kryodetektoren stammen aus der Astrophysik, werden aber in Zukunft in der Materialanalyse unverzichtbar sein

Auf Grund ihrer Fähigkeit einzelne Photonen über einen weiten Spektralbereich nachzuweisen, werden Kryodetektoren in Teleskopen eingesetzt. Sie eignen sich zum Studium von sehr schwacher Strahlung weit entfernter Himmelsobjekten. Die von Zeit zu Zeit auftreffenden Photonen können einzeln energieaufgelöst nachgewiesen werden und befinden sich häufig im UV-Bereich oder aufgrund der Rotverschiebung im sichtbaren Bereich. Mit optischen Instrumenten könnten sie wegen der geringen Intensität nicht nachgewiesen werden. Die Ausrichtung des flächenmäßig kleinen Detektors bereitet keine Schwierigkeiten, da die Lage des zu beobachtenden Objekts, beispielsweise eines Pulsars, bekannt ist.

Für eine weitere astrophysikalische Anwendung wurde eigens ein 1kg schwerer Saphirdetektor entwickelt, der sich an einem 5 Meter hohen automatischen Kühlsystem befindet. Dieses Kühlsystem kühlt den Detektor seit über einem Jahr kontinuierlich auf Temperaturen von 10mK. Das Ziel des Experiments ist der Nachweis von Bestandteilen der Dunklen Materie, den sogenannten WIMPS (Weak Interacting Massive Particles). Man erwartet, dass etwa jede Stunde ein solches WIMP-Teilchen auf den Detektor trifft. Das gesamte System befindet sich an einem gut von Strahlung abgeschirmten Ort, einem unterirdischen Versuchslabor im italienischen Gran Sasso Massiv.

Die wichtigsten praktischen Anwendungen liegen im Bereich der röntgenspektroskopischen Untersuchung von Materialoberflächen. Dazu muß man zunächst verstehen wie Röntgenstrahlung auf einer Materialoberfläche erzeugt wird und welche Information sie enthält:
Wenn Oberflächenatome entsprechend durch Röntgenstrahlung oder Elektronen angeregt werden, senden sie charakteristische Röntgenstrahlung aus. Jedes Oberflächenatom des angestrahlten Spots sendet dann eine Strahlung aus, die für das jeweilige Element charakteristisch ist.

Entsprechende Röntgendetektoren sind unter den Namen energiedispersive (EDX) und wellenlängendispersive (WDX) Röntgenspektrometer bekannt. Konventionellen EDX Systeme sind Halbleiterdetektoren und unterscheiden sich, wie bereits erwähnt, von den hier vorgestellten, supraleitenden Mikrokalorimeter EDX Systemen im wesentlichen durch eine wesentlich schlechtere Energieauflösung und eine etwas kürzere Analysenzeit. WDX Systeme hingegen liefern aufgrund des Einsatzes eines Monochromators eine sehr gute Energieauflösung, allerdings für den Preis von indiskutabel langen Analysenzeiten bei der Aufnahme eines Gesamtspektrums und einer aufwendigen Justistierung. Zusammengefaßt kann man sagen, daß Mikrokalorimeter EDX Systeme oder Kryodetektoren in allgemeinen die Vorteile von konventionellen EDX und WDX Systemen kombinieren.

Wo liegen nun die besonderen Vorteile von Kryodetektoren? Kurz gesagt im niederenergetischen Teil des Spektrums, also im Bereich unterhalb von 3 keV. Dort liegen die K-Linien der leichten Elemente, aber auch die relativ intensitätsschwachen L- und M-Linien der schwereren Elemente. Bei Multielementsystemen sind natürlich schlanke Peaks immer von Vorteil. Gerade bei Keramiken und anderen neuen Werkstoffen wie z.B. auch Nanostrukturen hat man es oft mit leichten Elementen zu tun, zu deren quantitativer Analyse man gut aufgelöste Spektren im niederenergetischen Spektralbereich benötigt.

Aus der richtungsweisenden und wachstumsstarken Halbleiterindustrie kommt ein weiteres starkes Argument für hochauflösende energiedispersive Detektoren für den Niederenergiebereich:

Dem seit Jahren einem empirischen Gesetz folgend habe sich die Chipkapazitäten in Zyklen von 2 bis 3 Jahren verdoppelt. Inzwischen ist man bei der sog. 0,18µm Technologie angelangt, d.h. die Strukturen auf dem Chips haben Maße von 0,00018mm. Man plant bereits den nächsten Schritt zu noch kleineren Strukturen, der 0,15µm Technologie. Bei immer kleineren Strukturen werden natürlich nicht nur die Lithographieprozesse immer anspruchsvoller, sondern auch immer kleinere Verunreinigungspartikel spielen eine immer kritischere Rolle. Daher entstehen ganz neue Anforderungen an die Oberflächenkontrolle.

Mit dem Elektronenmikroskop, genauer gesagt mit dem Feldemissions- Elektronenmikroskop (FEM) kann man sich Strukturen mit einer räumlichen Auflösung von etwa 2nm "anschauen". Das entspricht der Ausdehnung eines sehr gut fokusierten Elektronenstrahls im FEM. Um diese geringe Ausdehnung zu erreichen, muß man die Elektronenenergie auf unter 5 keV reduzieren, was zur Folge hat, dass man nur Röntgenlinien anregen kann, die unterhalb von 5 keV liegen.

Zur Untersuchung von räumlich ausgedehnten Strukturen fährt man die Probe Spot für Spot ab (Mapping). Somit erhält man eine Karte der Verunreinigungen auf der Oberfläche. Dies ist besonders nützlich beim Studium von Interdiffusions- oder Korrosionsprozessen.

Betrachtet man die Entstehung der Röntgenstrahlung durch die einfallenden Elektronen genauer, so stellt man fest, dass die tatsächliche laterale Auflösung entscheidend von der Energie der einfallenden Elektronen abhängt. Die sog. Anregungsbirne hat bei einer Anregungsenergie von 2-3keV einen Durchmesser von etwa 20-30nm und bei einer Anregungsenergie von 6keV von etwa 150nm. Damit ist ein entscheidendes Argument gegeben, die Anregungsenergie und damit auch die maximale Energie der emittierten Röntgenstrahlung so gering wie möglich zu halten. Der energiedispersiv hochaufgelöste Nachweis der niederenergetischen Röntgenstrahlung gelingt in einem solchen Fall jedoch nur noch mit einem Kryodetektor.

Bei einem Blick in die Zukunft sind viele weitere Anwendungen denkbar. Ein Projekt beispielsweise befasst sich mit der Detektion von schwerer Biomolekülen mit einem Kryodetektor. Dabei wird das Molekül in einer MALDI-TOF-Anlage mittels eines Laserpulses aus einer Matrix herausgelöst und in einem Feld beschleunigt. Kinetische Energie und Zeitinformation des Aufpralls des Moleküls auf den Kryodetektor geben dann Information über die Masse des Moleküls und ggf. auch über dessen Ladungszustand.
Diese Technik ist der konventionellen Detektortechnik mit eine Micro-Channel-Plate (MCP) in der Hinsicht überlegen, dass die Detektionseffizienz für eine Molekül praktisch 100% ist, wobei die Effizienz einer MCP kleiner als 1% ist. Diese Methode eignet sich daher z.B. für das Monitoring von Reaktionsprozessen, bei denen nur sehr kleine Stoffmengen entstehen.

Und wie kühlt man auf 100 Millikelvin?

Die meisten der heute verwendeten Kühlsysteme für Kryodetektoren arbeiten mit einem 2-stufigen Verfahren: Im Inneren eines 4K Kryostaten befindet sich ein adiabatischer Entmagnetisierungskryostat (ADR). Dieser besteht aus einem starken Magneten und einer paramagnetischen Salzpille. Ist dieses Salz auf 4K abgekühlt wird das Magnetfeld hochgefahren. Dabei richten sich die Spins der ungepaarten Elektronen des Salzes aus und erzeugen dabei Wärme, die über das Heliumbad abgeführt wird. Ist dieser Wärme abgeführt, wird die Salzpille vom 4K Niveau abgekoppelt und das Magnetfeld wieder heruntergefahren. Das Salz entzieht dabei seiner Umgebung Wärme und kühlt sie auf die erforderlich Temperatur ab.

Für Anwendungen in einem Elektronenmikroskop ist der Kryodetektor am Ende eines Rüssels angeordnet und thermisch mit der Salzpille verbunden. Der Detektor mit einer Temperatur von 100mK befindet sich nur wenige Zentimeter entfernt von der auf Raumtemperatur liegenden Probe.
Um ein Aufheizen durch Konvektion zu verhindern, befindet sich der Detektor in einem sehr guten Vakuum. Der Detektorraum muß vor externer Wärmestrahlung geschützt und der Druckunterschied aufrecht erhalten werden. Dies geschieht durch sehr dünne, herkömmliche Vakuumfenster.

Der letzte Schritt zur industriellen Anwendung: Die automatische Kühlung ohne flüssige Kühlmittel

Die Vorteile der Kryodetektoren sind seit langem bekannt. Was ihrer industriellen Nutzung entgegen stand, war die Handhabbarkeit der Kühltechnik. Die Notwendigkeit immer wieder flüssige Kühlmittel nachfüllen zu müssen, die Verfügbarkeit und der Preis von flüssigem Helium sowie die Größe entsprechender Apparaturen waren die Haupthindernisse. Inzwischen wurde von der CSP Cryogenic Spectrometers GmbH und der TU München ein automatisches und von flüssigen Kühlmitteln freies Kühlsystem entwickelt. Dieses System erlaubt das Erreichen und die Operation von Kryodetektoren bei Temperaturen unter 100mK. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kühlsystemen arbeitet das CSP System so gut wie vibrationsfrei. Zusätzlich ist das System kompakt, der 100mK Kryostat unterscheidet sich in den Abmessungen nicht wesentlich von Stickstoff-Dewar für herkömmliche Halbleiterdetektoren. In Abbildung 6 ist der Schnitt durch ein solches, etwa 60 cm hohes Detektorsystem gezeigt. Der Detektor selbst befindet sich an der Spitze des Kühlfingers. Im Inneren des Kühlsystems erkennt man die paramagnetische Salzpille, die von auf verschiedenen Temperaturen befindlichen Kühlschilden umgeben ist.

Abbildung 6

Abbildung 6:
Schnitt durch das von CSP Cryogenic Spectrometers GmbH zusammen mit der TU München hergestellte, mechanische Kühl- und Detektorsystem.

Fazit

Kryodetektoren können nach verschiedenen Prinzipien aufgebaut sein. Sie machen sich jedoch immer die im Vergleich zu Halbleiterdetektoren wesentlich geringeren Anregungsenergien in Tieftemperatursupraleitern zu Nutze. Die Folge sind mit wesentlich besseren Energieauflösungen gemessene Ergebnisse und die Möglichkeit, einzelne Strahlungsquanten über einen breiten Spektralbereich nachzuweisen.
Einer breiten Nutzung von Kryodetektoren standen bisher immer relativ aufwendige Kühlverfahren entgegen. Mit der Entwicklung von kompakten, schwingungsfrei arbeitenden und voll automatisierbaren Kühlsystemen wurden diese Hindernisse beseitigt. Kryodetektoren werden deshalb oft als "Detektoren der Zukunft" bezeichnet.

Literatur

/1/ High resolution X-ray spectroscopy with superconducting tunnel junctions, P.Hettl, G.Angloher, F.v.Feilitzsch, J.Höhne, J.Jochum, H.Kraus, R.L.Mößbauer, Proceedings of the European Conference of Energy Dispersive X-Ray Spectrometry 1998, EDXRS-98, Bologna 1999, ed. J.E.Fernandez und A.Tartari

/2/ Lowering the detection in high spatial resolution electron beam microanalysis with the microcalorimeter energy dispersive X-ray spectrometer, D.Newbury, D.Wollman, K.Irwin, G.Hilton, J.Martinis, Ultramicroscopy, 78, 1999, 73

/3/ High resolution X-ray spectroscopy using iridium/gold phase transition thermometers, J.Höhne, M.Altmann, G.Angloher, P.Hettl, J.Jochum, T.Nüßle, S.Pfnür, J.Schnagl, M.L.Sarsa, S.Wänninger und F.v.Feilitzsch, Proceedings of the European Conference of Energy Dispersive X-Ray Spectrometry 1998, EDXRS-98, Bologna 1999, ed. J.E.Fernandez und A.Tartari

/4/ David Joy, Monte Carlo Modeling for Electron Microscopy and Microanalysis, Oxford University Press, 1995


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